Rätselfrage: Was in Nordamerika funktioniert, steckt in Europa noch in den Kinderschuhen und wird in Ungarn gerade erst vorbereitet? Die Antwort ist die elektronische Organisation des Lkw-Transports, bei der Kunde und Frächter ähnlich wie beim Personentransport über eine App zueinander finden. Das Problem ist jedoch, dass der Transport von Gütern komplizierter ist als Taxifahren.
Der Kanadier Jared, der lieber mit seinem Vornamen angesprochen wird, transportiert seit zwei Jahrzehnten Güter mit seinem Lkw. Kürzlich legte er in eineinhalb Monaten 8.000 Kilometer zurück. Er sagt jedoch, dass er dieses Jahr oft gezwungen war, eine Zwangspause einzulegen. Das geht aus einem Bericht der BBC hervor, der sich mit dem ambivalenten Verhältnis zwischen einzelnen Spediteuren und der modernen, digitalen Transportorganisation befasst.
Während seiner langen Fahrten auf den Straßen Kanadas und der Vereinigten Staaten beobachtet Jared mehrere Bildschirme gleichzeitig. Auf einem Laptop, einem Tablet und zwei Smartphones verfolgt er die Entwicklungen im digitalen Raum. Insbesondere schaut er, welche Aufträge die Spediteure vergeben, um zu sehen, ob vielleicht ein passender Auftrag für ihn dabei ist.
Es stimmt nicht, dass früher alles besser war. Jared ist alt genug, um sich noch daran zu erinnern, wie er über Telefonzellen auf der Straße mit potenziellen Kunden kommunizierte, höchstens ergänzt durch einen Pager. Diese Veränderung wird als „Uberisierung” der Transportorganisation bezeichnet, da sie es den Kunden ermöglicht, ähnlich wie bei der Uber-Taxi-App, einzelne Transportunternehmen zu sich nach Hause zu bestellen.
Aus Sicht der Frachtführern ist der Nachteil der Transparenz der stärkere Wettbewerb
Jared räumt zwar ein, dass diese Art der Transportbeauftragung viel reibungsloser ist als die alte Methode, doch im digitalen Raum sind alle Akteure sichtbar – egal, wo sie in Nordamerika Sitz haben. Das verschärft den Preiswettbewerb. Das hat sich auch auf sein Einkommen ausgewirkt. Während der Coronavirus-Pandemie zahlte man ihm im Durchschnitt drei Dollar pro Meile für Transporte mit seinem eigenen Lkw, während ihm ein Transport zwischen Toronto und Los Angeles im Jahr 2025 nur 1,1 Dollar pro Meile einbrachte. Gleichzeitig sind die Kraftstoffpreise gestiegen. Natürlich ist der durchschnittliche Frachtpreis bei Langstreckentransporten ohnehin geringer. Aber für die Frächter lohnt es sich dennoch, längere Strecken zu fahren, statt auf den nächsten Auftrag zu warten, während sie Leerfahrten zur Umstellung durchführen und die entsprechenden Kosten tragen. Dieser Unterschied im Preis ist jedoch außergewöhnlich.
In Kanada wurden acht große Plattformen zur Digitalisierung der Transportorganisation geschaffen. Sie profitieren von dem fragmentierten Markt, indem sie auch kleineren Spediteuren eine breite Palette von Kunden erschließen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 haben acht von zehn Truckern in Kanada weniger als fünf Mitarbeitende.
Christopher Monette, Sprecher der Gewerkschaft Teamsters Canada, sagt, dass sie 130.000 Menschen vertreten, die sich über die „Uberisierung” des Straßentransports Sorgen machen. Die Löhne in diesem Sektor sind in Kanada in den letzten 25 Jahren im Wesentlichen stagniert. Dennoch haben Unternehmen weiterhin Schwierigkeiten, sich auf dem Markt zu behaupten. Am stärksten betroffen sind größere Unternehmen, deren Mitarbeiter Gewerkschaften beitreten und die viel Geld für Sicherheit, Schulungen und faire Arbeitsbedingungen ausgeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass einige Plattformen wie Freightera keine Frachtraten angeben, sondern die Spediteure in einer umgekehrten Auktion selbst um die Aufträge konkurrieren. Es ist ein Kampf ums Überleben.
In Nordamerika ist es einfacher, da nur die Verwaltungen von zwei Bundesstaaten berücksichtigt werden müssen
Ein Vergleich mit Europa zeigt, dass Frächter auf dem alten Kontinent in einem viel mühsameren und komplizierteren regulatorischen Umfeld arbeiten müssen. Dies ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass die digitale Transportorganisation auf dieser Seite des Atlantiks noch in den Kinderschuhen steckt, während sie sich in der Neuen Welt in den letzten Jahren offenbar recht gut entwickelt hat.
Laut einem Artikel des Nachrichtenportals G7 müssen sich Unternehmen, die sich mit dem internationalen Transport größerer Warenmengen befassen, mit einer Reihe von Details auseinandersetzen.
- Sie benötigen eine Lösung für den Kraftstoffkauf, denn es ist wichtig, wann, wo und zu welchem Preis Sie Diesel kaufen und wie hoch der Rabatt im besten Fall ist.
- Sie benötigen eine Tabelle für die Mehrwertsteuerrückerstattung, da die Dieselsteuer in den europäischen Ländern unterschiedlich hoch ist und die Rückerstattung entsprechend verwaltet werden muss.
- Sie benötigen ein System zur Verwaltung der Mautgebühren, da es in Europa viele verschiedene Mautsysteme gibt.
- Sie benötigen einen Datenverwalter für den Fahrtenschreiber, da für Lkws feste Lenk- und Ruhezeiten gelten, sie nicht Tag und Nacht fahren dürfen und die Einhaltung der Ruhezeiten oft kompliziert ist.
- Möglicherweise benötigen Sie ein Telematiksystem, das den Zustand des Fahrzeugs und der Güter überwacht. So kann beispielsweise die Temperatur verderblicher Güter im Kühlwagen kontinuierlich aufgezeichnet werden.
- Schließlich wird eine Transportplanungsanwendung benötigt, die dafür sorgt, dass der Lkw möglichst nie ohne Ladung fährt. Dies muss mit den genannten Systemen abgestimmt werden.
Große Transportunternehmen lösen diese Aufgaben intern mit eigenen Kraftstoffmanagern, Spediteuren und Transportplanern. Bei kleineren Unternehmen gab es immer das Problem der Auslagerung von Aufgaben, für das die digitale Transportplanung eine Lösung bieten kann.
In Europa plant Uber Freight für die nächsten drei Jahre ein starkes Wachstum
Uber Freight, ein bedeutender Akteur auf dem nordamerikanischen Markt für digitale Transportdienstleistungen mit Sitz in den Niederlanden, hat einem Bericht des Nachrichtenportals Transport Topics zufolge auch in Europa eine Brückenkopfposition aufgebaut. Mit seinen Transportmanagement-Dienstleistungen hat das Unternehmen einen Umsatz von 200 Millionen Euro erzielt, den es bis 2028 auf zwei Milliarden Euro steigern will.
Dabei können sie auf die bestehende europäische Infrastruktur von Uber aufbauen. Dies gilt sowohl für die Technologie als auch für den bekannten Markennamen. Darüber hinaus können sie von den auf dem Weltmarkt tätigen amerikanischen Multis auch außerhalb Nordamerikas
als gewohnte Partner angesehen werden”, sagte Lior Ron, Gründer und CEO von Uber Freight, über die Details ihrer Pläne.
Die Unternehmensleitung bezeichnet ihre Dienstleistung als 4PL (Fourth-Party Logistics), bei der sie das Management der gesamten Lieferkette von Unternehmen übernehmen können. Vor der Pandemie begannen sie als einfacher Transportmakler mit der „Eroberung Europas” in den Niederlanden, Deutschland und Polen. Dieses Geschäft wurde während der Pandemie an Sennder Technologies in Berlin verkauft. 2021 kehrten sie als Transportorganisator auf den europäischen Markt zurück.
Im Gegensatz zu Maklern bieten sie nach nordamerikanischem Vorbild eine Software an, mit der ihre Kunden selbst zueinander finden können. Florian Neuhaus, Logistikexperte bei der Unternehmensberatung McKinsey, sieht die Möglichkeit, eine standardisierte digitale Plattform für den europäischen Logistiksektor zu schaffen, die über die fragmentierten Unternehmenslösungen hinausgeht.
Ist dies das Ende der Spediteure?
Laut Experten verfügen Transportunternehmen in Osteuropa im Durchschnitt über sieben Fahrzeuge. Auf einen Transportauftrag kommen heute mehr als dreißig Verwaltungsaufgaben. Würde die Arbeit der Spediteure erleichtert, wenn sie mithilfe der Informationstechnologie direkt mit den Auftraggebern in Kontakt treten könnten?
Offensichtlich liegt das wirtschaftliche Interesse des Transporteurs darin, dass sich ihre Anschaffungen der Fahrzeuge, für die sie erhebliche Summen aufgewendet haben, so schnell wie möglich amortisieren, d. h., dass sie die für ihre Anschaffung aufgewendeten Mittel wieder einbringen und dabei auch noch einen ordentlichen Gewinn erzielen. Da sich ein Fahrzeug physisch zu einem bestimmten Zeitpunkt nur an einem Ort befinden kann, liegt die Notwendigkeit einer IT-Lösung für die Zuordnung der Fahrzeuge zu Ladungen auf der Hand. So können Kunden das für den Transport der zu befördernden Güter am jeweiligen Ort und zur jeweiligen Zeit am besten geeignete Fahrzeug einfach auswählen. In der Regel übernehmen die Spediteure den Abschluss des Transportvertrags in eigenem Namen. Wenn die IT dafür sorgt, dass Kunden und Frachtführer „zueinander finden”, könnte die Rolle der Spediteure jedoch wegfallen. Der Eigentümer der Ware könnte wie bei einem Taxi über das Internet den nächstgelegenen Lkw bestellen, der in seiner Nachbarschaft entladen wird, und den Transportvertrag selbst mit dem Carrier abschließen. Die Transportkosten werden durch den Preiswettbewerb im Internet automatisch niedrig gehalten. Der Kunde wird natürlich die günstigste Lösung aus den ihm zur Verfügung stehenden Optionen auswählen. Dabei stehen ihm alle Mittel der Informatik, sogar künstliche Intelligenz, zur Verfügung.
Der Teufel steckt jedoch meist im Detail. Wenn ein Spediteur diese Aufgabe übernimmt, unterliegt er anderen rechtlichen Rahmenbedingungen, Verantwortlichkeiten und beruflichen Standards als Transportunternehmen. Heute haftet der Spediteur uneingeschränkt für die Auswahl eines geeigneten Transportunternehmens. Hat er seine Arbeit nicht sorgfältig erledigt und sich mit einem Frächter geeinigt, der die Aufgabe nicht ordnungsgemäß ausführen kann oder fahrlässig handelt, muss er den dadurch entstandenen Schaden in voller Höhe ersetzen. Doch wer ist verantwortlich, wenn der Frachtfüher über eine App auf einer Plattform ausgewählt wird? Welche Versicherungsbedingungen kann ein IT-Vermittlungsdienst, der mit künstlicher Intelligenz arbeitet, anbieten? Wer vertritt die Interessen des Auftraggebers, wenn unterwegs ein Hindernis auftritt? Kann die Informationstechnologie die Anforderungen der Auftraggeber im Zusammenhang mit dem Transport vollständig erfüllen? Lohnt es sich für Spediteur und Auftraggeber, wenn das System ihnen einfach die billigste Lösung anbietet?
In Europa nähert man sich diesen Fragen erst, echte Antworten und praktische Erfahrungen fehlen bislang. Die Spediteure selbst setzen zunehmend IT-Lösungen und sogar künstliche Intelligenz ein, um ihre Arbeit effizienter zu gestalten. Gleichzeitig versuchen Transportunternehmen – vor allem Reedereien im Seeverkehr – immer häufiger und aggressiver, Spediteure aus ihren Transaktionen mit Direktkunden herauszufiltern.
Die Kunden unseres Unternehmens bestehen jedenfalls vorerst darauf, mit einem Speditionspartner zusammenzuarbeiten, der den Transportmarkt kennt und ihre Geschäftsprozesse mit erfahrenen, qualifizierten Fachleuten unterstützen. Zudem entlasten wir die Kunden durch die Vertretung ihrer Interessen von den Verhandlungen mit den Transportunternehmen. Wie das alte Sprichwort sagt: „Was für Sie eine Last ist, ist für uns lediglich eine Fracht.“